Das Familienrecht gehört zugegebenermaßen nicht zu meinen Interessenschwerpunkten. Und die gestrige Entscheidung des Deutschen Bundestags hat auch keine Auswirkungen mehr auf das bereits seit
Jahren der Gleichstellung unterworfene Erbrecht. Dennoch wurde ich in den letzten Tagen vermehrt darauf angesprochen, ob ich glaube, dass die sogenannte Ehe für alle vor dem
Bundesverfassungsgericht bestand haben werde.
Ich möchte hier eine kurze Prognose abgeben:
Es ist richtig, dass das Bundesverfassungsgericht die Ehe nach Art. 6 Absatz 1 des Grundgesetzes immer wieder als Gemeinschaft zwischen Mann und Frau definiert hat. Allerdings ist es auch
unumstritten, dass der selbe Wortlaut einer Norm des Grundgesetzes nicht zu allen Zeiten gleich ausgelegt wird.
Die Verfassungswirklichkeit entwickelt sich weiter, wie man in den letzten Jahrzehnten auch immer wieder an Rechtsprechungsänderungen aus Karlsruhe sehen konnte. Daher ist die historisch korrekte
Auslegung des Wortes Ehe in Art. 6 GG nicht notwendigerweise auch diejenige, die das Bundesverfassungsgericht bei einer Entscheidung über die Ehe für Alle annehmen würde.
Schwerer wiegt sogar noch, dass das Bundesverfassungsgericht selbst bereits in der Vergangenheit klargestellt hat, dass der Schutz der Ehe (zwischen Frau und Mann) nach Art. 6 Abs. 1 GG nicht die
Diskriminierung anderer Lebensweisen erfordere. Es gibt, wie der Jurist sagt, kein Abstandsgebot zwischen gegengeschlechtlicher Ehe und gleichgeschlechtlicher eingetragener Lebenspartnerschaft
(oder ab sofort: Ehe).
Zuletzt wird die Ehe für alle aber aus meiner Sicht aus einem ganz anderen Grund auch verfassungsrechtlich Bestand haben: Es wird keinen Kläger geben. Die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde
dürfte ausscheiden, weil durch die Entscheidung für die Ehe für alle niemand beschwert wurde. Und ein entsprechender Normenkontrollantrag könnte realistischerweise nur von 25 Prozent der
Mitglieder des Deutschen Bundestags oder einer Landesregierung beim Bundesverfassungsgericht gestellt werden.
Zwar haben ca. 36 Prozent der Abgeordneten im Deutschen Bundestag mit Nein gestimmt, das heißt aber noch lange nicht, dass sie das Gesetz für verfassungswidrig halten und schon gar nicht, dass
sie nach Karlsruhe ziehen. Der Wähler würde dies wohl auch nicht honorieren. Und die einzige Landesregierung, die in Gänze programmatisch gegen die Ehe für alle sein dürfte, ist die bayerische.
Ich lehne mich aber einmal so weit aus dem Fenster zu behaupten, dass die CSU in Bayern nicht riskiert, dass vor allem SPD und Grüne ein etwaiges Verfahren kurz vor der Landtagswahl 2018 als
gesellschaftspolitisch rückschrittlich ausschlachten.
Nach alledem schätze ich die Chancen, dass es ein für alle mal bei der Ehe für alle bleibt, als sehr gut ein.